Ein Baumarkt, ein paar Online-Einkäufe und ein 3D-Drucker genügen, um sich heimlich zu bewaffnen, und genau das passiert offenbar bereits in Deutschland. Das zeigen ZDF-Recherchen von Julia Klaus und Nils Metzger.
Wie aus den Recherchen hervorgeht, lassen sich die Teile für selbstgebaute Waffen legal besorgen und ohne besondere Fachkenntnisse zuhause zusammensetzen. Das Ergebnis sind beispielsweise halbautomatische Pistolen oder Karabiner mit Teilen aus dem 3D-Drucker. Die Anleitungen dafür verbreiten Bastler:innen im Internet.
Vor wenigen Jahren war das noch teuer und fehleranfällig – doch die technische Entwicklung verläuft rasant. Die Aktivist:innen träumen von einer Welt, in der sich alle Menschen bewaffnen können.
Wo hat eure Recherche begonnen?
Nils: Das Thema beschäftigt uns seit dem Anschlag auf die Synagoge in Halle, bei dem der Attentäter auch selbstgebaute Waffen verwendet hatte. Die Waffen haben zwar kaum funktioniert, trotzdem haben sie zwei Menschen getötet.
Julia: Wenn man dann zu Waffen aus dem 3D-Drucker recherchiert, stößt man schnell auf ein Forum namens "Deterrence Dispensed". Dazu gibt es auch eine spannende Dokumentation namens "Plastic Defence". Also sind wir dem Forum beigetreten.
Wie habt ihr im Forum recherchiert?
Nils: Das Forum war bis vor Kurzem auf der Plattform Keybase zu finden. Forenmitglieder mussten zwar von einem Admin freigeschaltet werden, aber ihre Identität wurde nicht überprüft. Außer uns waren noch knapp über 20.000 Accounts dort Mitglied, bis Keybase – zufällig kurz vor unserer Veröffentlichung – das Forum gelöscht hat. Unter einer anderen Adresse ist es jetzt aber schon wieder in Betrieb. Viele Mitglieder waren übrigens mit ähnlichen Namen auch auf Reddit oder Twitter zu finden.
Julia: Wir haben viel mitgelesen und Screenshots gemacht. "Deterrence Dispensed" war in Unterforen aufgeteilt, in denen die Nachrichten teils nach 24 Stunden verschwanden. Mit einigen Usern haben wir gechattet. Einer hat mir geschrieben, dass er in Deutschland lebe und sich eine FGC-9 gebaut habe. Das ist ein halbautomatischer Karabiner, mit Teilen aus dem 3D-Drucker. Mit einem der Administratoren habe ich auch telefoniert. Er nennt sich “Ivan the Troll" und hat mehrere der Bauanleitungen selbst mitverfasst.
Was wollen "Ivan" und die anderen mit den Waffen machen?
Julia: Die Forenmitglieder haben eine gemeinsame Überzeugung, nämlich, dass jeder Mensch das Recht haben solle, sich zu bewaffnen. Zum Beispiel, um sich vor einem autoritären Staat zu beschützen. Regulierungen lehnen sie ab. Der Modellname "FGC-9" steht für "fuck gun control", die "9" bezieht sich auf 9-Millimteter-Munition.
Welche Rolle spielen Rechtsextreme in dem Forum?
Julia: Ich war überrascht, dass ich in dem Forum nicht die menschenverachtenden Inhalte gesehen habe, die man hätte befürchten können. Mein Eindruck war: Wenn Mitglieder des Forums rechtsextrem sind, dann lassen sie es da nicht raus. "Ivan the Troll" hat mir gesagt, User würden gebannt, wenn sie Nazi-Inhalte posten.
Nils: "Deterrence Dispensed" pocht immer wieder auf ideologische Neutralität und dass es offen für alle sei. Es gibt dort sogar Propaganda für die Bewaffnung von LGBTQ. Von außen finde ich es aber schwer zu sagen, was die Mitglieder dort wirklich denken, ob das nur sehr starke libertäre Einstellungen sind oder auch rechtskonservative und Alt Right.
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