Guten Tag
In seinem vor Kurzem erschienenen Buch «Narrative Economics: How Stories Go Viral and Drive Major Economic Events» erzählt der Verhaltensökonom und Nobelpreisträger Robert J. Shiller, wie er Start-up-Unternehmer, die mit Bitcoin und Blockchain die Welt verändern wollen, darum bat, ihm doch das Prinzip des «Elliptic Curve Digital Signature Algorithm» zu erklären. Sie hatten, so Shiller, noch nie davon gehört. Das ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Einerseits, weil es sich dabei um den fundamentalen Kryptographie-Algorithmus der Bitcoin-Technologie handelt. Und andererseits, weil es zeigt, dass die Erzählung von Bitcoin als disruptiver Technologie für manche Gründer viel stärker wirkt als deren Grundlagen.
Bob ist überzeugt: Je besser die Geschichten, desto eher beeinflussen sie menschliche Entscheidungen – und sie müssen dafür nicht einmal wahr sein.
Populistische Politikerinnen und Politiker, die in immer mehr Ländern dieser Welt in die Regierungsverantwortung gewählt werden, haben dieses Phänomen zur Grundlage ihres Erfolgs gemacht. Sie punkten in Zeiten hoher Unsicherheit und Komplexität mit einfachen und intuitiven Programmen. Allen ist eigen, dass sie gar nicht erst versuchen nachhaltig die grundlegenden Probleme wie die Auswirkungen von Migration, Globalisierung oder Klimawandel zu lösen. Unabhängig davon, ob populistische Politik wie in Boliven dem linken oder wie in Italien dem rechten Parteienspektrum zuzuordnen ist – sie hat bis heute nachweislich noch keine Lösungen erbracht.
Nur wie können wir die intuitiven – und zugegeben oft auch sehr guten – Narrative als Populismus entlarven? Ich stelle mir in so einer Situation immer drei Fragen. Wenn ich alle davon mit «Ja» beantworten kann, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Populismus, egal ob er mir in der Politik oder im Management begegnet.
- Basiert das Programm auf nur einem oder zwei Themen?
- Werden Sündenböcke benannt?
- Und wird die eigene Klientel klar bevorzugt?
Unter solchen Voraussetzungen haben die Akteure keinerlei Eigeninteresse, ein Problem zu lösen, denn mit der Lösung kämen ihnen die Themen, die Feindbilder und damit auch die Klientel abhanden.
Für uns als Behavioral Designer bedeutet diese Erkenntnis nicht nur, populistische Narrative in der Politik und im Management früh zu erkennen und zu antizipieren – wir müssen auch davon lernen und die besseren evidenzbasierten Geschichten finden. Nur so können wir sicherstellen, dass die Entscheidungen zur Lösung der grossen Probleme unserer Zeit auch getroffen werden.
Dies ist die letzte Ausgabe meiner Behavioral Economics News für 2019. Ich bedanke mich herzlich für Ihre Zeit und Ihre Aufmerksamkeit in diesem Jahr. Es würde mich sehr freuen, Sie an der Academy of Behavioral Economics am 29. Januar 2020 persönlich kennen zu lernen. Unser Thema lautet «Trust and Facts: Better Decisions in an Age of Growing Populism» – eine gute Gelegenheit, um gemeinsam die Arbeit an besseren und evidenzbasierten Narrativen zu beginnen.
Ich wünsche Ihnen schon jetzt frohe Festtage und eine gute Zeit mit Ihren Liebsten.
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